SIBO Academy by Dr. Thomas Bacharach
SIBO Academy by Dr. Thomas Bacharach
26. Februar 2024
SIBO Behandlungsmöglichkeiten

SIBO Behandlungsmöglichkeiten

Inhalt
1. Was ist SIBO?
1.1 SIBO-Diagnostik
1.2 SIBO-Behandlung
2. Therapie der Dünndarmfehlbesiedlung
2.1 Antibiotika
2.1.1 Rifaximin
2.1.2 andere Antibiotika
2.2 pflanzliche Therapie
2.2.1 Oregano
2.2.2 Neem
2.2.3 Allicin
2.2.4 Berberin
2.2.5 Wahl der pflanzlichen Therapien
3. Strategien zur Aufrechterhaltung des Wohlbefindens nach der SIBO-Behandlung
3.1 Ernährung
3.1.1 PHGG
3.2 Lebensstil

1. Was ist SIBO?

SIBO steht für „small intestinal bacterial overgrowth“ und beschreibt eine bakterielle Fehlbesiedlung des Dünndarms. Dies kann Beschwerden wie Verstopfung, Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfall zur Folge haben. Ausgelöst werden diese Beschwerden durch eine zu starke Vermehrung von Bakterien in einem normalerweise recht keimarmen Organabschnitt, dem Dünndarm. Während es normal und gesund ist, dass der menschliche Dickdarm reichlich mit Bakterien besiedelt ist (dem sogenannten Mikrobiom), kann der Dünndarm mit dieser Menge an Bakterien und deren Stoffwechselprozessen nicht umgehen, was Beschwerden verursacht.

1.1 SIBO-Diagnostik

Für die Diagnose einer SIBO wird normalerweise ein Atemtest herangezogen. Dieser macht sich die Tatsache zunutze, dass Bakterien Wasserstoff und Methan produzieren, jedoch keine menschliche Zelle dies tut. Ein Anstieg dieser Gase in der Atemluft deutet somit auf das Vorhandensein von Bakterien hin. Als Testsubstanzen werden Laktulose, Laktose, Glukose oder Fruktose verwendet (1). Diese werden von den Bakterien verstoffwechselt, was zur Bildung der Gase führt. Der Zeitpunkt des Gasanstiegs in der Atemluft nach Aufnahme der Testsubstanzen gibt Auskunft darüber, ob sich Bakterien im Dünndarm befinden.

1.2 SIBO-Behandlung

Es gibt verschiedene Behandlungsoptionen zur Therapie einer SIBO. Hierzu zählen neben speziell abgestimmten Diäten der Einsatz von pflanzlichen oder konventionellen Antibiotika sowie Probiotika. Die Art der Therapie wird individuell gewählt und ist abhängig von der Art der vorherrschenden Bakterien und den hauptsächlich vorliegenden Symptomen.

2. Therapie der Dünndarmfehlbesiedlung

Liegt ein positiver SIBO-Test  vor, gibt es verschiedene Methoden der Behandlung. Die Behandlung richtet sich nach der Art der SIBO, der überwiegend vorkommenden Bakterien und der Höhe der Atemgas-Messung. Zur Therapie zählen speziell entwickelte SIBO-Diäten sowie pflanzliche oder konventionelle Antibiotika.  Ziel der Therapie ist immer, die Reduktion der problematischen Bakterien.

2.1 Antibiotika

2.1.1 Rifaximin

Unter den konventionellen Antibiotika hat sich vor allem Rifaximin bei der Behandlung einer SIBO durchgesetzt (1). Rifaximin ist ein Breitband-Antibiotikum, welches spezifisch im Gastrointestinaltrakt wirkt und nicht systemisch aufgenommen wird. Rifaximin stellt dank seiner lokalen Wirkweise die erste Wahl der antibiotischen SIBO-Behandlung dar. Das Antibiotikum Rifaximin ist in Deutschland eigentlich zur Behandlung von Reisediarrhoe zugelassen. Die Anwendung zur SIBO-Behandlung stellt somit einen off-lable-use dar und wird meist nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen.
In einer Studie aus 2017 wiesen Gatta et al. Rifaximin eine SIBO-Eradikationsrate von circa 71% nach (2). Diese Wirksamkeitsangabe bezieht sich auf die Wasserstoff-SIBO. Bei der Methan-SIBO oder der Schwefelwasserstoff-SIBO wird die Effektivität deutlich niedriger angegeben.
Eine Studie aus dem Jahr 2010 wies eine noch bessere Wirksamkeit von Rifaximin zur SIBO-Eradikation bei Kombination mit dem Präbiotikum partiell-hydrolysiertes Guarkernmehl (PHGG) nach. Als Grund sehen die Autoren den positiven Effekt von PHGG auf die Darmmotilität. (3)

2.1.2 andere Antibiotika

Neben Rifaximin kommen auch systemisch wirkende Antibiotika zur SIBO-Behandlung zum Einsatz. Hierzu zählen beispielsweise Metronidazol (4, 5) und Neomycin (6). Diese beiden Antibiotika werden in der Praxis vor allem zur Behandlung einer Methan-SIBO eingesetzt.
Neomycin ist in Deutschland momentan nicht verfügbar. Gelangt zu viel des Wirkstoffes in den Blutkreislauf kann es zu schweren Nebenwirkungen wie Blutdruckabfall, Herzrasen, anaphylaktischem Schock oder Schwindel kommen (7). Auch das Antibiotikum Metronidazol weist ein breites Nebenwirkungsspektrum auf.

2.2 pflanzliche Therapie

Neben den konventionellen Antibiotika wird weltweit die Therapie der Dünndarmfehlbesiedlung mit pflanzlichen Präparaten immer mehr erforscht und angewendet (8).

2.2.1 Oregano

Oreganoöl wird häufig als natürliche Behandlung bei SIBO (Dünndarmfehlbesiedlung) eingesetzt. Oregano werden antibakterielle (9) und antimikrobielle (10) Effekte zugewiesen. Die im Oreganoöl enthaltenen Wirkstoffe, vor allem Carvacrol und Thymol, können schädliche Bakterien im Dünndarm reduzieren. Dies kann dazu beitragen, das bakterielle Gleichgewicht wiederherzustellen und Symptome wie Blähungen, Schmerzen und Verdauungsstörungen zu lindern. Oreganoöl sollte jedoch nur unter ärztlicher Aufsicht und in sorgfältig dosierten Mengen angewendet werden, da eine zu hohe Dosierung die Darmschleimhaut reizen könnte und bei langfristiger Anwendung auch nützliche Bakterien beeinflussen kann

2.2.2 Neem

Neem, ein aus den Blättern und Samen des Neembaums gewonnenes Pflanzenextrakt, wird ebenfalls als natürliche Option in der SIBO-Behandlung eingesetzt. Seine antibakteriellen (11) Eigenschaften machen es wirksam gegen schädliche Bakterien im Dünndarm. Neem kann helfen,SIBO-Symptome wie Blähungen und Verdauungsprobleme zu lindern. Wie bei anderen pflanzlichen Antimikrobiotika sollte Neem nur unter ärztlicher Aufsicht und in der richtigen Dosierung verwendet werden, da eine Überdosierung die Darmschleimhaut reizen oder die natürliche Bakterienflora beeinträchtigen könnte.

Seit Spätsommer 2024 ist der Verkauf und Vertieb von Neem in der EU eingestellt worden. Grund hierfür ist ein Beschluss der EU, der Neem als nicht autorisiertes Novel Food einordnet. Novel Food bedeutet an sich, dass dieses Lebensmittel bzw. Nahrungsergänzungsmittel vor 1997 in der EU nicht in relevanter Menge konsumiert wurde und somit zunächst als potentiell gesundheitsschädlich bis zum Tag des Gegenbeweises eingestuft wird. (RASFF Window – Notification detail (europa.eu), zuletzt geprüft 14.09.2024)

2.2.3 Allicin

Allicin kommt beispielsweise in Knoblauch vor und Allicin-haltige Tabletten haben auch den typischen Knoblauch-Geruch. Allicin wird aufgrund seiner starken antimikrobiellen Eigenschaften häufig in der SIBO-Behandlung verwendet (11, 12). Es wirkt effektiv gegen schädliche Bakterien im Dünndarm und kann dabei helfen, das bakterielle Gleichgewicht wiederherzustellen und Symptome wie Blähungen, Bauchschmerzen und Verdauungsstörungen zu lindern. Allicin unterscheidet sich von rohem Knoblauch, da es als isolierter Wirkstoff gezielt gegen schädliche Mikroorganismen wirkt, ohne den Darm mit weiteren Substanzen zu belasten. Da Allicin sehr potent ist, sollte es jedoch nur in genau dosierter Form und unter ärztlicher Anleitung eingenommen werden, um mögliche Nebenwirkungen wie Magenreizungen zu vermeiden.

2.2.4 Berberin

Berberin, ein Pflanzenstoff, der aus verschiedenen Heilpflanzen wie der Berberitze gewonnen wird, ist ein weiteres natürliches Mittel, das in der SIBO-Behandlung eingesetzt wird. Aufgrund seiner starken antimikrobiellen Wirkung kann Berberin das Wachstum schädlicher Bakterien im Dünndarm hemmen und so das Gleichgewicht der Darmflora fördern. Dies hilft, SIBO-Symptome wie Blähungen, Bauchkrämpfe und Verdauungsprobleme zu lindern. Berberin wirkt außerdem entzündungshemmend (13) und antioxidativ, was die Darmschleimhaut schützen und die Heilung unterstützen kann. Da Berberin jedoch sehr wirksam ist, sollte es unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden, um mögliche Nebenwirkungen und Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu vermeiden.

2.2.5 Wahl der pflanzlichen Therapien

Je nach SIBO-Art kommen unterschiedliche Kräuter zum Einsatz. Bei der Wasserstoff-Variante werden z.B. Neem (A) oder Berberin-haltige Pflanzen eingesetzt. Liegt eine Methanfehlbesiedelung vor, kommt zudem Allicin oder Oregano zum Einsatz.

3. Strategien zur Aufrechterhaltung des Wohlbefindens nach der SIBO-Behandlung

Um den langfristigen Erfolg einer SIBO-Behandlung sicherzustellen, das allgemeine Wohlbefinden zu erhalten und Rückfällen vorzubeugen, ist es wichtig, individuelle Strategien zu entwickeln.

3.1 Ernährung

Ein wesentlicher Bestandteil, wie schon bei der SIBO-Behandlung selbst, ist die Ernährung. Sobald das Darmmilieu wieder stabil ist, sollte es nachhaltig gepflegt werden. Ballaststoffe und fermentierbare Kohlenhydrate wie PHGG und FODMAPs spielen hierbei eine zentrale Rolle, da sie den nützlichen Darmbakterien als Nahrung dienen. Es ist zudem ratsam, stark verarbeitete Lebensmittel, Zucker und Alkohol zu meiden, da diese das Wachstum schädlicher Bakterien begünstigen können.

3.1.1 PHGG

PHGG (partiell hydrolysiertes Guarkernmehl) ist ein präbiotischer Ballaststoff, der sich in der SIBO-Behandlung als unterstützend erwiesen hat. Im Gegensatz zu vielen anderen Ballaststoffen wird PHGG im Dünndarm nur langsam fermentiert, was die Produktion von Gasen reduziert und daher weniger Beschwerden wie Blähungen oder Bauchschmerzen verursacht. Es dient als Nahrung für nützliche Bakterien im Dickdarm und unterstützt so das Wachstum einer gesunden Darmflora, was langfristig zur Verbesserung des Darmmilieus beitragen kann. PHGG kann helfen, die Verdauung zu regulieren und den Stuhlgang zu verbessern. Da es gut verträglich ist, wird es häufig in Kombination mit anderen SIBO-Therapien eingesetzt, sollte jedoch schrittweise eingeführt werden, um die Verträglichkeit sicherzustellen.

3.2 Lebensstil

Auch regelmäßige Bewegung, Stressbewältigung durch Methoden wie Meditation oder Yoga sowie ausreichender Schlaf tragen maßgeblich zur Darmgesundheit bei. Zudem sollte man bei anhaltenden oder wiederkehrenden Symptomen regelmäßige ärztliche Kontrollen in Betracht ziehen, um frühzeitig eingreifen zu können. Generell ist die Betreuung durch einen Arzt während der gesamten SIBO-Behandlung dringend empfohlen.

Quellen

  1. Rao SSC, Bhagatwala J. Small Intestinal Bacterial Overgrowth: Clinical Features and Therapeutic Management. Clin Transl Gastroenterol. 2019 Oct;10(10):e00078. doi: 10.14309/ctg.0000000000000078. PMID: 31584459; PMCID: PMC6884350.
  2. Gatta L, Scarpignato C. Systematic review with meta-analysis: rifaximin is effective and safe for the treatment of small intestine bacterial overgrowth. Aliment Pharmacol Ther. 2017 Mar;45(5):604-616. doi: 10.1111/apt.13928. Epub 2017 Jan 12. PMID: 28078798; PMCID: PMC5299503.
  3. Furnari M, Parodi A, Gemignani L, Giannini EG, Marenco S, Savarino E, Assandri L, Fazio V, Bonfanti D, Inferrera S, Savarino V. Clinical trial: the combination of rifaximin with partially hydrolysed guar gum is more effective than rifaximin alone in eradicating small intestinal bacterial overgrowth. Aliment Pharmacol Ther. 2010 Oct;32(8):1000-6. doi: 10.1111/j.1365-2036.2010.04436.x. Epub 2010 Aug 18. PMID: 20937045.
  4. Rao SSC, Bhagatwala J. Small Intestinal Bacterial Overgrowth: Clinical Features and Therapeutic Management. Clin Transl Gastroenterol. 2019 Oct;10(10):e00078. doi: 10.14309/ctg.0000000000000078. PMID: 31584459; PMCID: PMC6884350.
  5. Castiglione F, Rispo A, Di Girolamo E, Cozzolino A, Manguso F, Grassia R, Mazzacca G. Antibiotic treatment of small bowel bacterial overgrowth in patients with Crohn’s disease. Aliment Pharmacol Ther. 2003 Dec;18(11-12):1107-12. doi: 10.1046/j.1365-2036.2003.01800.x. PMID: 14653830.
  6. Thompson JR. Is irritable bowel syndrome an infectious disease? World J Gastroenterol. 2016 Jan 28;22(4):1331-4. doi: 10.3748/wjg.v22.i4.1331. PMID: 26819502; PMCID: PMC4721968.
  7. Neomycin – Anwendung, Wirkung, Nebenwirkungen | Gelbe Liste (gelbe-liste.de); zuletzt geprüft 18.02.2024
  8. Chedid V, Dhalla S, Clarke JO, Roland BC, Dunbar KB, Koh J, Justino E, Tomakin E, Mullin GE. Herbal therapy is equivalent to rifaximin for the treatment of small intestinal bacterial overgrowth. Glob Adv Health Med. 2014 May;3(3):16-24. doi: 10.7453/gahmj.2014.019. PMID: 24891990; PMCID: PMC4030608.
  9. Liu Q, Meng X, Li Y, Zhao CN, Tang GY, Li HB. Antibacterial and Antifungal Activities of Spices. Int J Mol Sci. 2017 Jun 16;18(6):1283. doi: 10.3390/ijms18061283. PMID: 28621716; PMCID: PMC5486105.
  10. Mith H, Duré R, Delcenserie V, Zhiri A, Daube G, Clinquart A. Antimicrobial activities of commercial essential oils and their components against food-borne pathogens and food spoilage bacteria. Food Sci Nutr. 2014 Jul;2(4):403-16. doi: 10.1002/fsn3.116. Epub 2014 May 4. PMID: 25473498; PMCID: PMC4221839.
  11. Wylie MR, Merrell DS. The Antimicrobial Potential of the Neem Tree Azadirachta indica. Front Pharmacol. 2022 May 30;13:891535. doi: 10.3389/fphar.2022.891535. PMID: 35712721; PMCID: PMC9195866.
  12. Guo H, Lu S, Zhang J, Chen C, Du Y, Wang K, Duan L. Berberine and rifaximin effects on small intestinal bacterial overgrowth: Study protocol for an investigator-initiated, double-arm, open-label, randomized clinical trial (BRIEF-SIBO study). Front Pharmacol. 2023 Feb 15;14:1121435. doi: 10.3389/fphar.2023.1121435. PMID: 36873985; PMCID: PMC9974661.
  13. Jia Q, Zhang L, Zhang J, Pei F, Zhu S, Sun Q, Duan L. Fecal Microbiota of Diarrhea-Predominant Irritable Bowel Syndrome Patients Causes Hepatic Inflammation of Germ-Free Rats and Berberine Reverses It Partially. Biomed Res Int. 2019 Apr 3;2019:4530203. doi: 10.1155/2019/4530203. PMID: 31073525; PMCID: PMC6470425.

 

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Als Arzt, Spezialist für funktionelle Magen-Darmerkrankungen und selbst Betroffener möchte ich anderen Therapeuten helfen, ihre Patienten besser zu verstehen und zu behandeln.

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