SIBO Academy by Dr. Thomas Bacharach
SIBO Academy by Dr. Thomas Bacharach
09. Dezember 2024
Leaky Gut: Ursachen und Therapie
leaky gut geht mit einer erhöhten Durchlässigkeit des Darmes einher.

Leaky Gut Syndrom: Ursachen und Therapie

Inhalt
1. Was ist leaky gut?
1.1 Symptome des leaky gut
1.2 Diagnoseansätze des leaky gut
2. Ursachen für die Entstehung eines leaky gut
2.1 Ernährung
2.2 Infektionen
2.3 Exogene Faktoren
2.4 Lifestyle und Stress
3. Therapie
3.1 Ernährung & Lifestyle
3.2 Nahrungsergänzungsmittel
4. Zusammenfassung

1. Was ist leaky gut?

Unter leaky gut bzw. dem leaky gut Syndrom versteht man einen Zustand der Darmschleimhaut, der mit erhöhter Durchlässigkeit dieser einhergeht. Im Englischen spricht man von „increased intestinal permeability“. Leaky gut geht oft mit einer Aktivierung des Immunsystems (Entzündungsreaktionen) und einem gestörten Darmmikrobiom einher.
Die menschliche Darmschleimhaut besteht aus 3 Hauptschichten: Zum Lumen (Innenraum des Darmes) hin befindet sich eine Schleimschicht. Diese Schleimschicht hat die Aufgabe, die Darmzellen (Enterozyten) zu schützen. Die Enterozyten bilden mit anderen darmspezifischen Zellen eine einlagige Zellschicht, welche den Darminnenraum vom Körper und Blutkreislauf abgrenzt. Unter den Enterozyten befindet sich zudem eine Schicht voller Immunzellen. Die Enterozyten haben die Aufgabe, den Körper vor schädlichen Substanzen oder Eindringlingen (Pathogenen) zu schützen und gleichzeitig lebensnotwendige Nährstoffe aus der Nahrung aufzunehmen. Um diesen Aufgaben gerecht werden zu können, werden die Enterozyten durch sogenannte tight junctions eng miteinander verbunden. Werden diese Verbindungen zwischen den Zellen locker und der Darm somit weniger dicht, spricht man vom leaky gut syndrom.

1.1 Symptome des leaky gut

Leaky gut weist vor allem Symptome wie Durchfall, Verstopfung, Blähungen und Gasbildung, Abdominalschmerzen und -beschwerden sowie Müdigkeit, Kopf-, Muskelschmerzen und Konzentrationsschwierigkeiten („brain fog“) auf. Doch auch Hautprobleme wie Akne, Ekzeme und Rosacea sowie Gelenkschmerzen und systemische Entzündungen sind mögliche Symptome.
Mit dem leaky gut assoziierte Erkrankungen sind zudem psychischen Symptomen wie Depression und Angst, chronische Müdigkeit, Autoimmunerkrankungen (z. B. rheumatoide Arthritis, Psoriasis) und Diabetes (1).
Bereits seit den 1970er Jahren ist das leaky gut Syndrom im Zusammenhang mit Darmentzündungen, chronischen entzündlichen Darmerkrankungen, Zöliakie und NSAID-induzierten Ulzera bekannt.

1.2 Diagnoseansätze des leaky gut

Bis heute (Stand November 2024) ist das leaky gut Syndrom nicht als eigenständige Krankheit anerkannt. Es gibt daher keinen Standarddiagnosetest für die Diagnose des leaky gut. Allerdings gibt es eine Vielzahl an Tests, die auf eine erhöhte Darmdurchlässigkeit hindeuten können: Hierzu zählen der sogenannte Zuckertest, Zonulin, Alpha-1-Antitrypsin, I-FABP (intestinales Fettsäure-bindendes Protein) und Biopsien. Mehr zu den unterschiedlichen Diagnosetools erfahren Sie hier.

2. Ursachen für die Entstehung eines leaky gut

Die Ursachen für die Entstehung eines leaky gut sind vielfältig und reichen von Ernährung über bakterielle Fehlbesiedlung des Darmes bis hin zu gewissen Medikamenten und Stress. In den folgenden Abschnitten werden mögliche Ursachen näher beleuchtet:

2.1 Ernährung

Eine Ernährung reich an Fetten und Zuckern und arm an Ballaststoffen kann zur Entstehung eines leaky gut beitragen. Diese sogenannte „Western-Style Diet“ schwächt nachweislich die tight junctions des Darmes (2). Diese Störung der Darmbarriere ermöglicht Schadstoffen, unverdauten Nahrungsmitteln und bakteriellen Bestandteilen sowie Pathogenen leicht in den menschlichen Blutkreislauf eindringen zu können, was dort für eine Immunantwort sorgt. Dies kann zu einer systemischen (den ganzen Körper betreffenden) Entzündungsreaktion führen, welche verschiedenste Symptome auslösen und die Entstehung von Erkrankungen fördern kann.
Zudem wird eine Ballaststoffarme Ernährung mit einem veränderten Darmmikrobiom assoziiert. Ballaststoffe dienen vorteilhaften Bakterien im menschlichen Darm als Nahrungsgrundlage. Werden diesen Bakterien ihre Nahrung entzogen, kann es dazu führen, dass sie absterben und weniger vorteilhafte Bakterien sich ihrer Plätze annehmen. Kommt es zu einer als negativ bewerteten Veränderung des Darmmikrobioms, spricht man von einer sogenannten Dysbiose. Diese bakterielle Fehlbesiedlung kann ebenfalls eine erhöhte Darmdurchlässigkeit und eine daraus resultierende Immunreaktion hervorrufen.

2.2 Infektionen

Infektionen, insbesondere im Magen-Darm-Trakt, können die Integrität der Darmbarriere erheblich beeinträchtigen und so die Entstehung eines leaky gut begünstigen. Krankheitserreger wie Viren, Bakterien oder Parasiten können die Schleimschicht angreifen und entzündliche Prozesse auslösen. Diese Entzündungen schwächen die tight junctions – die Verbindungen zwischen den Darmzellen, die für eine intakte Barriere sorgen. Zusätzlich produzieren viele pathogene Mikroorganismen Toxine, die die Darmzellen direkt schädigen und die Durchlässigkeit der Darmwand erhöhen. Dadurch können Endotoxine, unverdaute Nahrungsbestandteile und andere Schadstoffe in den Blutkreislauf gelangen, was zu einer systemischen Entzündungsreaktion und langfristigen gesundheitlichen Problemen führen kann. Aber auch die zur Behandlung von Infektionen angewendeten Antibiotika können das Darmmikrobiom aus dem Gleichgewicht bringen und somit zur Entstehung eines leaky gut beitragen. (3)

2.3 exogene Faktoren

Der Konsum von Alkohol, Nikotin und die Einnahme bestimmter Medikamente können die Gesundheit der Darmbarriere erheblich beeinträchtigen und die Entwicklung eines leaky gut fördern.
Alkohol wirkt toxisch auf die Schleimhaut des Magen-Darm-Trakts und schwächt die tight junctions, die die Darmzellen miteinander verbinden. Dies erhöht die Durchlässigkeit der Darmwand, wodurch schädliche Substanzen wie Endotoxine in das Blut gelangen können. (4)
Darüber hinaus stört Alkohol die Zusammensetzung der Darmmikrobiota, was die Barrierefunktion zusätzlich belastet. (5)
Nikotin kann ebenfalls die Darmgesundheit negativ beeinflussen, indem es unter anderem zur Entstehung einer bakteriellen Fehlbesiedlung beiträgt (6). Nikotin hat zudem Auswirkungen auf den Blutdruck (7), was zu einer veränderten Blutzirkulation in der Darmschleimhaut führen kann. Dies kann die Regeneration der Darm-Zellen behindern und die Schutzfunktion der Darmwand schwächen.
Medikamente wie beispielsweise Schmerzmittel (auch als nichtsteroidale Antirheumatika (NSARs, engl. NSAIDs) bezeichnet) und Antibiotika sind ebenfalls bekannt dafür, die Darmintegrität zu gefährden. Antibiotika und NSARs können das Gleichgewicht der Darmflora massiv stören und schützende Bakterienstämme reduzieren. Dies schafft eine ungünstige Umgebung, in der pathogene Bakterien gedeihen und die Barriere weiter schwächen können. Eine Langzeiteinnahme von NSARs kann zudem die Schleimschicht schädigen und Mikroentzündungen verursachen (8).
Ein bewusster Umgang mit Alkohol, Nikotin und Medikamenten ist daher entscheidend, um die Darmgesundheit zu erhalten und das Risiko für einen Leaky Gut zu minimieren.

2.4 Lifestyle und Stress

Chronischer Stress und ein ungesunder Lebensstil können erheblich zur Entstehung eines leaky gut beitragen.
Stress beeinflusst die Darmgesundheit über mehrere Mechanismen. Zum einen führt er zur Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol, die die Durchblutung des Magen-Darm-Trakts verringern und entzündungsfördernd wirken. Darüber hinaus verändert Stress die Darm-Hirn-Achse und die Zusammensetzung der Mikrobiota. Eine gestörte Mikrobiota fördert das Wachstum schädlicher Bakterien, die Toxine produzieren und die Barrierefunktion des Darms beeinträchtigen können.
Auch andere Lebensstilfaktoren wie Schlafmangel, Bewegungsmangel und eine unausgewogene Ernährung spielen eine Rolle bei der Entstehung eines leaky guts. Zu wenig Schlaf reduziert die Fähigkeit des Körpers, Entzündungen zu regulieren (9) und die Darmschleimhaut zu regenerieren. Bewegungsmangel kann die Darmmotilität beeinträchtigen, wodurch die Ausscheidung schädlicher Stoffe verlangsamt wird.

3. Therapie

3.1 Ernährung & Lifestyle

Um die Darmbarriere zu schützen und das Risiko eines Leaky Gut zu minimieren, ist eine ballaststoffreiche Ernährung mit ausreichend Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und fermentierten Lebensmitteln von großer Bedeutung. Diese unterstützen die Darmgesundheit und fördern die Produktion von kurzkettigen Fettsäuren (SCFAs) durch nützliche Darmbakterien. SCFAs dienen den Enterozyten als Energiequelle und sorgen somit für die Aufrechterhaltung der Darmintegrität. Zudem sollten entzündungsfördernde Lebensmittel gemieden werden.
Ein gesunder Lebensstil mit ausreichend Schlaf, regelmäßiger Bewegung und einer ausgewogenen Ernährung ist die Grundlage für eine gute Darmgesundheit. Stressbewältigungsstrategien wie Meditation oder Yoga können hierbei hilfreich sein.

3.2 Nahrungsergänzungsmittel

Gewisse Nahrungsergänzungsmittel können helfen, den Darm wieder ins Gleichgewicht zu bringen und die Darmintegrität zu fördern. Hierzu zählen Zink, L-Glutamin, Butyrat (als eine wichtige SCFA), Myrrhe, Kaffeekohle und gewisse Probiotika.
Zink kann zur Stärkung der tight junctions beitragen (10), L-Glutamin fördert die Integrität der Darmschleimhaut (11) und Butyrat dient den Darmzellen als Energiequelle. Myrrhe stabilisiert die Darmwand (12) und Kaffeekohle wirkt antientzündlich (13).
Zu den bei leaky gut angewendeten Probiotika zählen z.B. Saccharomyces boulardii CNCM I-745 und Escherichia coli Nissle 1917. Diese Stämme helfen, die Darmflora zu stabilisieren (14).

4. Zusammenfassung

Die Ursachen eines leaky gut sind genau so vielseitig wie die Therapieoptionen. Die Therapie eines leaky gut sollte immer in Zusammenarbeit mit einem Arzt oder Heilpraktiker erfolgen, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Eine gute Ursachenanamnese dient hierbei als Grundlage für einen individuellen Behandlungsplan, der nicht nur die Symptome lindert, sondern auch langfristig die Gesundheit stabilisiert, indem die ursächlichen Faktoren adressiert werden.

 

Quellen

  1. Leech B, McIntyre E, Steel A, Sibbritt D. Risk factors associated with intestinal permeability in an adult population: A systematic review. Int J Clin Pract. 2019 Oct;73(10):e13385. doi: 10.1111/ijcp.13385. Epub 2019 Jul 5. PMID: 31243854.
  2. Chae YR, Lee YR, Kim YS, Park HY. Diet-Induced Gut Dysbiosis and Leaky Gut Syndrome. J Microbiol Biotechnol. 2024 Apr 28;34(4):747-756. doi: 10.4014/jmb.2312.12031. Epub 2024 Feb 1. PMID: 38321650; PMCID: PMC11091682.
  3. Stewart AS, Pratt-Phillips S, Gonzalez LM. Alterations in Intestinal Permeability: The Role of the „Leaky Gut“ in Health and Disease. J Equine Vet Sci. 2017 May;52:10-22. doi: 10.1016/j.jevs.2017.02.009. Epub 2017 Mar 7. PMID: 31000910; PMCID: PMC6467570.
  4. Wang Y, Tong J, Chang B, Wang B, Zhang D, Wang B. Effects of alcohol on intestinal epithelial barrier permeability and expression of tight junction-associated proteins. Mol Med Rep. 2014 Jun;9(6):2352-6. doi: 10.3892/mmr.2014.2126. Epub 2014 Apr 9. PMID: 24718485.
  5. Capurso G, Lahner E. The interaction between smoking, alcohol and the gut microbiome. Best Pract Res Clin Gastroenterol. 2017 Oct;31(5):579-588. doi: 10.1016/j.bpg.2017.10.006. Epub 2017 Oct 22. PMID: 29195678.
  6. Shapiro H, Goldenberg K, Ratiner K, Elinav E. Smoking-induced microbial dysbiosis in health and disease. Clin Sci (Lond). 2022 Sep 30;136(18):1371-1387. doi: 10.1042/CS20220175. PMID: 36156126; PMCID: PMC9527826.
  7. Oakes JM, Xu J, Morris TM, Fried ND, Pearson CS, Lobell TD, Gilpin NW, Lazartigues E, Gardner JD, Yue X. Effects of Chronic Nicotine Inhalation on Systemic and Pulmonary Blood Pressure and Right Ventricular Remodeling in Mice. Hypertension. 2020 May;75(5):1305-1314. doi: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.119.14608. Epub 2020 Mar 16. PMID: 32172623; PMCID: PMC7145734.
  8. Graham DY, Opekun AR, Willingham FF, Qureshi WA. Visible small-intestinal mucosal injury in chronic NSAID users. Clin Gastroenterol Hepatol. 2005 Jan;3(1):55-9. doi: 10.1016/s1542-3565(04)00603-2. PMID: 15645405.
  9. Irwin MR, Olmstead R, Carroll JE. Sleep Disturbance, Sleep Duration, and Inflammation: A Systematic Review and Meta-Analysis of Cohort Studies and Experimental Sleep Deprivation. Biol Psychiatry. 2016 Jul 1;80(1):40-52. doi: 10.1016/j.biopsych.2015.05.014. Epub 2015 Jun 1. PMID: 26140821; PMCID: PMC4666828.
  10. Sturniolo GC, Di Leo V, Ferronato A, D’Odorico A, D’Incà R. Zinc supplementation tightens „leaky gut“ in Crohn’s disease. Inflamm Bowel Dis. 2001 May;7(2):94-8. doi: 10.1097/00054725-200105000-00003. PMID: 11383597.
  11. van der Hulst RR, van Kreel BK, von Meyenfeldt MF, Brummer RJ, Arends JW, Deutz NE, Soeters PB. Glutamine and the preservation of gut integrity. Lancet. 1993 May 29;341(8857):1363-5. doi: 10.1016/0140-6736(93)90939-e. PMID: 8098788.
  12. Rosenthal R, Luettig J, Hering NA, Krug SM, Albrecht U, Fromm M, Schulzke JD. Myrrh exerts barrier-stabilising and -protective effects in HT-29/B6 and Caco-2 intestinal epithelial cells. Int J Colorectal Dis. 2017 May;32(5):623-634. doi: 10.1007/s00384-016-2736-x. Epub 2016 Dec 15. PMID: 27981377.
  13. Schiller L, Hammoud Mahdi D, Jankuhn S, Lipowicz B, Vissiennon C. Bioactive Plant Compounds in Coffee Charcoal (Coffeae carbo) Extract Inhibit Cytokine Release from Activated Human THP-1 Macrophages. Molecules. 2019 Nov 22;24(23):4263. doi: 10.3390/molecules24234263. PMID: 31766780; PMCID: PMC6930648.
  14. Terciolo C, Dapoigny M, Andre F. Beneficial effects of Saccharomyces boulardii CNCM I-745 on clinical disorders associated with intestinal barrier disruption. Clin Exp Gastroenterol. 2019 Feb 11;12:67-82. doi: 10.2147/CEG.S181590. PMID: 30804678; PMCID: PMC6375115.

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Als Arzt, Spezialist für funktionelle Magen-Darmerkrankungen und selbst Betroffener möchte ich anderen Therapeuten helfen, ihre Patienten besser zu verstehen und zu behandeln.

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