
Reizdarmsyndrom: Was ist das eigentlich?
Inhalt
1. Definition Reizdarmsyndrom
1.1 Rom-IV-Kritieren
1.2 Die 4 Hauptformen des Reizdarmsyndroms
2. Ursachen für das Reizdarmsyndrom
2.1 verändertes Darm-Mikrobiom
2.2 psychischer Stress
2.3 gestörte oder empfindliche Darmbarriere
3. Reizdarm und SIBO
4. Behandlungsoptionen des RDS
1. Definition Reizdarmsyndrom
Unter dem Reizdarmsyndrom (RDS, engl. irritable bowel syndrome (IBS)) versteht man ein Krankheitsbild, welches sich durch verschiedene Beschwerden im Verdauungstrakt äußert. Genau genommen ist das Reizdarmsyndrom eine chronische Funktionsstörung des Darms, welches als Ausschlussdiagnose diagnostiziert wird. Dies bedeutete, dass jegliche andere Erkrankung des Verdauungstraktes (Darmerkrankungen) als Auslöser für die empfundenen Symptome ausgeschlossen können werden muss. Dies verdeutlicht bereits, wie unscharf das Reizdarmsyndrom definiert ist.
Hauptmerkmale des RDS sind Schmerzen oder Unwohlsein im Bauchbereich, Veränderungen der Stuhlfrequenz und -qualität sowie Blähungen und Völlegefühl.
Das RDS tritt relativ häufig auf. Frauen sind hierbei öfter betroffen als Männer (1).
1.1 Rom-IV-Kritieren
Das RDS wird nach den sogenannten Rom-IV-Kriterien klassifiziert. Unter einem RDS werden nach diesen Kriterien wiederholte Bauchschmerzen mit einer veränderten Stuhlentleerung, veränderter Stuhlfrequenz und/oder veränderter Stuhlkonsistenz (mindestens zwei dieser drei Veränderungen), welche seit mehr als 6 Monaten bestehen und im letzten Monat mindestens einmal pro Woche auftraten, verstanden (2).
1.2 Die 4 Hauptformen des Reizdarmsyndroms
Es gibt vier Hauptformen des RDS (2):
- RDS mit vorrangig Verstopfung (IBS with predominant constipation: IBS-C),
- RDS mit vorrangig Durchfall (IBS with predominant diarrhea: IBS-D),
- RDS mit beidem (IBS with mixed bowel habits: IBS-M) und
- RDS mit weder Durchfall noch Verstopfung (IBS unclassified: IBS-U)
2. Ursachen für das Reizdarmsyndrom
Lange Zeit war die Entstehungsursache des RDS unklar und das Syndrom wurde schlicht den psychosomatischen Erkrankungen zugeordnet. Mit voranschreitender Forschung vor allem auf der Ebene des Darmmikrobioms konnten nun allerdings weitere mögliche Ursachen erforscht werden. Die genauen Ursachen des Reizdarmsyndroms sind nach wie vor nicht vollständig geklärt, aber es wird angenommen, dass eine Kombination aus folgenden Faktoren eine Rolle spielt: Veränderungen des Darmmikrobioms, Stress, eine veränderte Kommunikation zwischen Gehirn und Darm (Darm-Hirn-Achse), leaky gut bzw. eine gestörte Darmbarriere, Entzündungen der Darmschleimhaut und eine überempfindliche Schleimhaut sowie Infektionen.
2.1 verändertes Darm-Mikrobiom
Das RDS ist mit einem veränderten Darm-Mikrobiom und Darm-Metabolom assoziiert (1,3) und vorangegangene Antibiotikatherapien können als Auslöser eines RDS gesehen werden (1). Zudem können intestinale Entzündungen als Auslöser für ein RDS gelten (1).
2.2 psychischer Stress
Aber auch psychischer Stress, Angststörungen und Depressionen können an der Auslösung und Aufrechterhaltung des RDS beteiligt sein (1). Von besonderer Bedeutung für die Entstehung eines RDS scheint somit die Darm-Hirn-Achse zu sein, welche auf allen Ebenen und in allen Komponenten entweder organisch, zellulär, molekular und/oder genetisch verändert sein kann (1,4).
2.3 gestörte oder empfindliche Darmbarriere
Ist die Darmbarriere gestört, kann dies zu Abdominalschmerzen führen. Eine erhöhte Permeabilität des Darmes (leaky gut) führt dazu, dass unverdaute Nahrungsbestandteile oder im Darm lebende Bakterien, sowie mit der Nahrung aufgenommene Mikroorganismen leichter die Darmwand überqueren können und in den Blutkreislauf gelangen. Dies kann zur Aktivierung des Immunsystems und damit zu Entzündungsreaktionen führen. Dies wiederum kann die Darmwand angreifen und somit die Integrität der Darmwand weiter negativ beeinflussen. Ein Teufelskreis.
3. Reizdarm und SIBO
Des Weiteren wird immer öfter ein Zusammenhang zwischen SIBO (small intestinal bacterial overgrowth, Dünndarmfehlbesiedlung) und RDS beschrieben. So ist die Prävalenz von SIBO in RDS-Patienten erhöht (5,6).
4. Behandlungsoptionen des RDS
Das Reizdarmsyndrom kann die Lebensqualität und damit den Alltag der Betroffenen massiv beeinträchtigen. Die Behandlung zielt daher darauf ab, die Symptome zu lindern und somit die Lebensqualität zu verbessern. Zu den Behandlungsoptionen gehören eine Ernährungsanpassung, eine Optimierung der Schlafhygiene, eine Therapie eines aus dem Gleichgewicht geratenen Mikrobioms, eventuell Medikamente, Stressmanagement und regelmäßige Bewegung (z.B. Yoga) sowie eine all diese Punkte umfassende Lebensstilveränderung. Eine Low-FODMAP-Diät oder das Identifizieren von Triggern (z. B. Gluten, Laktose) kann helfen, die Symptome zu minimieren. Je nach Subtyp können z. B. krampflösende Mittel, Probiotika, Ballaststoffe oder Medikamente gegen Durchfall/Verstopfung helfen. Techniken wie Entspannungsübungen, kognitive Verhaltenstherapie oder Achtsamkeitstraining helfen mit Stressmanagement. Regelmäßige Bewegung und eine gute Schlafhygiene gehören ebenfalls zu den Behandlungsstrategien des RDS. Ein Arzt kann beim Finden der zugrundeliegenden Ursachen und passenden Behandlung zur Reduktion der Schmerzen und Symptome helfen.
Quellen
- Update S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie. Gemeinsame Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM), 2021, https://www.dgvs.de/wp-content/uploads/2022/02/ZfG_Leitlinie-LL-Reizdarmsyndrom_08.02.22.pdf; zuletzt geprüft 30.04.2023.
- Rome IV Criteria – Rome Foundation (theromefoundation.org); zuletzt geprüft 30.04.2023.
- Vich Vila A, Imhann F, Collij V, Jankipersadsing SA, Gurry T, Mujagic Z, Kurilshikov A, Bonder MJ, Jiang X, Tigchelaar EF, Dekens J, Peters V, Voskuil MD, Visschedijk MC, van Dullemen HM, Keszthelyi D, Swertz MA, Franke L, Alberts R, Festen EAM, Dijkstra G, Masclee AAM, Hofker MH, Xavier RJ, Alm EJ, Fu J, Wijmenga C, Jonkers DMAE, Zhernakova A, Weersma RK. Gut microbiota composition and functional changes in inflammatory bowel disease and irritable bowel syndrome. Sci Transl Med. 2018 Dec 19;10(472):eaap8914. doi: 10.1126/scitranslmed.aap8914. PMID: 30567928.
- Ford AC, Sperber AD, Corsetti M, Camilleri M. Irritable bowel syndrome. Lancet. 2020 Nov 21;396(10263):1675-1688. doi: 10.1016/S0140-6736(20)31548-8. Epub 2020 Oct 10. PMID: 33049223.
- Takakura W, Pimentel M. Small Intestinal Bacterial Overgrowth and Irritable Bowel Syndrome – An Update. Front Psychiatry. 2020 Jul 10;11:664. doi: 10.3389/fpsyt.2020.00664. PMID: 32754068; PMCID: PMC7366247.
- Ghoshal UC, Shukla R, Ghoshal U. Small Intestinal Bacterial Overgrowth and Irritable Bowel Syndrome: A Bridge between Functional Organic Dichotomy. Gut Liver. 2017 Mar 15;11(2):196-208. doi: 10.5009/gnl16126. PMID: 28274108; PMCID: PMC5347643.

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Als Arzt, Spezialist für funktionelle Magen-Darmerkrankungen und selbst Betroffener möchte ich anderen Therapeuten helfen, ihre Patienten besser zu verstehen und zu behandeln.